Nach beruflich bedingten Jahren in Bern, Lausanne, Salzburg, Berlin und Zürich und jährlich teilweise über 30 angeflogenen Destinationen lebt der gebürtige Emmentaler Christoph Bichsel seit Kurzem an seinem neuen Standort Biel. Bereits in den ersten Tagen seiner Ankunft haben wir ihn erneut bei der Einrichtung unterstützen und zwischen zwei beruflichen Engagements auf einen Kaffee treffen können.
Als wir den in sanftes Springbrunnengeplätscher getauchten Innenhof der ehemaligen Uhrenfertigungs-städte Louis Brandt & Frère betreten, öffnet sich in der historischen Fassade ein Fenster im Obergeschoss. «Ich mache euch schon mal einen Espresso», ruft uns Christoph Bichsel mit seiner warmen Stimme und einem breiten Lachen zu. Einer, dem es liegt, das Tempo gleich von Beginn weg selbst zu gestalten. Von diesem Wesenszug profitiert er nachhaltig: Wer sich wie der ehemalige Bariton in den Bereichen Oper, Orchester und Theater etablieren will, der muss sich um die raren und begehrten Gelegenheiten auch bemühen. Lange Arbeitstage, viele Reisen und das ständige
Verlegen des Lebensmittelpunkts sind deshalb nichts Ungewöhnliches. Locker an die Wand gelehnte Kunstwerke sind denn wohl auch ein Zeichen eines Lebens in Bewegung. «Meine Antwort darauf, dass sich meine Lebensumstände immer mal wieder ändern», bestätigt Christoph die spontane Wirkung. Und plötzlich treten sie hervor: die Merkmale des Praktikablen und Flexiblen. Die Auswahl seiner Bücher ist äusserst erlesen, die Einrichtung seines Schlafbereichs reduziert und fast nur durch eine goldene Atollo-Leuchte akzentuiert, und der Stahlrohrsessel definiert zwar den Loungebereich, doch selbst dies mit dem Statement der absoluten Leichtigkeit von Breuers raffinierter
Konstruktion. Das Telefon klingelt mehrfach. Christoph improvisiert, delegiert und verspricht Rückrufe. Ohne, dass er dabei je die Aufmerksamkeit von seinen Besuchern nimmt. Und genau hier gewinnt das Bild an Tiefe: Dem Leiter des künstlerischen Betriebsbüros eines Mehrspartenhauses gelingt all dies mit einer Ruhe, die einen so richtig ins Hier und Jetzt zu holen vermag. Da die frischen Hortensien in einer von Margrit Linck eigenhändig geformten Vase, hier der von ihm per Hand getamperte Kaffee aus der Zuriga E2 und dort eine Anekdote über eines seiner Gemälde aus der Galerie von Bob van Orsouw.
Nie entsteht der Eindruck einer Person, die von Berufs wegen wenig Zeit für sich und ihr Zuhause findet. Genauso wenig, dass ihr Daheim ein ideelles Konstrukt ist. Im Gegenteil: Bereits wenige Wochen nach Einzug erfüllt einen dieses Loft mit einem ebenso belebenden wie erdenden Gefühl. So, wie man sich Heimkommen vielleicht ersehnt. Und beinahe schon ertappt man sich beim Bleibenwollen. Zunehmend wird uns bewusst, dass ein Mensch wie Christoph Bichsel einem anspruchsvollen Alltag umso deutlicher die Kenntnis der eigenen Bedürfnisse entgegensetzt. In der Tat spiegelt sich dies nicht nur in den auf Bewährtes reduzierten Stücken von USM, Cassina, Thonet, Vitra oder Zanotta. Durch die Materialwahl und Farbigkeit tragen diese auch die spezifische Signatur ihres Kurators.
Dass mobile Menschen rastlos umhereilen oder das Zuhause völlig vergeistigen, davon kann hier nicht die Rede sein. Es entsteht eher der Eindruck, dass der Verzicht auf die Selbstverständlichkeit von Zuhause unsere Bedürfnisse schärft. Und dies liegt Christoph Bichsel offensichtlich im Blut: «Meine Familie ging schon immer gerne fort, aber noch lieber kamen wir wieder nach Hause», und er fügt an: «Leider müssen wir auch jetzt aufbrechen. Aber es folgt ja ein Heimkommen.» Auch die Verabschiedung gelingt ihm äusserst charmant. Ein Mensch eben, dem es liegt, das Tempo auch bis zum Schluss selbst zu gestalten.
Kategorie
Privat
Aufgabe
Möblierungskonzept
Auftraggeber
Christoph Bichsel
Einrichtung
teo jakob
Fotografie
Pierre Kellenberger